Vattenfall im Interview

„Wir als große Energieversorger überleben nur, wenn wir uns der nachbarschaftlichen Versorgung stellen“

Weshalb es sich lohnt, neben Fernwärme auch auf kleine Abwärmeprojekte zu setzen, und welche Rolle die großen Energieversorger dabei spielen, erklärt Thomas Jänicke-Klingenberg, Experte für innovative Projekte bei der Vattenfall Wärme Berlin AG, im Interview.

Thomas Jänicke-Klingenberg, Vattenfall Wärme Berlin AG

Thomas Jänicke-Klingenberg, Vattenfall Wärme Berlin AG
Foto: © Reiner Freese


Angelika Brandt: Herr Jänicke-Klingenberg, Sie sind bei der Vattenfall Wärme Berlin AG für innovative Projekte zuständig. Was ist aus Ihrer Sicht ein ökologisch und ökonomisch sinnvolles Abwärmeprojekt? Kommt es auf die Größe an?

Thomas Jänicke-Klingenberg: Keinesfalls. Der Trend geht zum Mix aus zentraler und dezentraler Wärmeversorgung. Somit lohnt es sich, auch kleine Potenziale zu heben. Im Falle der Bäckerei von nebenan kann zum Beispiel die Abwärme des Backofens gespeichert und in der Nachbarschaft verteilt werden.

AB: Trotzdem ist die Fördereffizienz bei Großprojekten ja am höchsten. Rechnen sich kleine Projekte unterm Strich überhaupt?

TJK: Die Anforderungen nachbarschaftlicher Projekte an Profitabilität sind deutlich geringer als bei Großunternehmen. Überdies stehen hier hervorragende Fördermittel zu Verfügung, die die KMUs auch nutzen sollten. In der Summe, sprich: bezogen auf das Gesamtbild von Erzeugern und Nutzern, kann das auch im Kleinen zu sehr profitablen Ergebnissen führen.

AB: Wie kann man sich das im Detail vorstellen?

TJK: Über die Förderung refinanzieren die Unternehmen zunächst einmal ihre Anlagentechnik, um Abwärme nutzbar zu machen. Beim Wohnhaus in der Nachbarschaft steht möglicherweise gerade eine kostspielige Heizkesselerneuerung an. Dank der günstigen, umweltfreundlichen Abwärme aus umliegenden Kleinbetrieben wird diese Investition überflüssig. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

AB: Welche Rolle spielen Sie als Wärmeversorger in diesem Szenario?

TJK: Wir als große Energieversorger können nur überleben, wenn wir uns dem Thema der nachbarschaftlichen Versorgung stellen. Somit geht die Entwicklung hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Kunden und Versorgern. Anstatt den Kunden wie bisher ausschließlich mit Wärme zu beliefern, bringen wir unsere Kompetenz ein, wirken an Standardisierungen mit und helfen, intelligente Konzepte zu entwickeln. Kurz: Wir suchen nach der optimalen Lösung für das zu versorgende Objekt, ohne dass automatisch ein Vertrag zur Wärmelieferung für uns dabei herauskommt.

AB: Verliert Fernwärme damit nicht an Bedeutung?

TJK: Sowohl bei der Wärme als auch beim Strom wird es künftig darum gehen, die passende Kombination aus zentralen und dezentralen Versorgungseinheiten zu finden. Insgesamt wird es viel vernetzter zugehen: In den Nachbarschaften werden neue Netze mit niedrigeren Temperaturen entstehen, die die Fernwärmenetze entlasten. Fernwärme wird es aber weiterhin geben. Wichtig ist dabei, möglichst umweltfreundlich zu sein und die jeweils „grünsten“ Bestandteile im jeweiligen Mix zu nutzen.

AB: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jänicke-Klingenberg.


Thomas Jänicke Klingenberg leitet den Bereich innovative Projekte bei der Vattenfall Wärme Berlin AG. Der studierte Maschinenbauingenieur ist seit über 30 Jahren für den Wärmeversorger tätig und hatte bereits diverse Führungspositionen bei Vattenfall und dessen Vorgängerunternehmen in Berlin und Hamburg inne.

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